Christian Horn: Die Frage der Fragen: Was ist der Mensch?

Philosophische und theologische Aufsätze

Verlagshaus Schlosser, Kirchheim 2021, 580 Seiten, 29,90 €, ISBN 978-3-96200-400-5

Philosophie und Theologie sind die klassischen Zugänge der akademischen Disziplinen, Fragen an die Menschen zu richten, Fragen über die Welt, Fragen nach dem Leben an sich oder Fragen nach dem Sinn des Seins zu stellen – das führt an die Anfänge der Philosophie und zu dem Beispiel des alten Fragenden, zu Sokrates, der in Athen mit seinen unermüdlichen Fragen zum Opfer seines Fragens wurde. Fragen, Suchen, Zweifeln weisen den Weg, Horizonte zu erweitern und Grenzen aufzustoßen, nach den Ursprüngen des Seins zu tasten und Erkenntnisse zu sichern. Ohne solches Fragen keine Philosophie und keine Theologie. So, an offene oder grundlegende Fragen hat sich der Theologe Christian Horn gewagt, um auf diesen beiden Zugängen sich dem Thema anzunähern, was ist der Mensch.

Fachkundig hat Horn sich den Feinheiten der modernen Philosophie gewidmet, seit sie mit den Impulsen der Aufklärung die Zeit des großen säkularen Umbruchs und der epochalen Umwälzungen das Ende des Mittelalters einleitete und sich damit aus der etablierten, ja dominanten Lehrtradition der kirchengebundenen Theologie löste. Das gefestigte, klare Weltbild der Philosophie als Magd der Theologie zeigte Risse, bereitete Verunsicherungen in den Auseinandersetzungen um den Anspruch auf Wahrheit und (Macht-) Durchsetzung, bevor dann der „Aufbruch in den Wissenschaften und beginnender Siegeszug der Vernunft“ weitere Orientierungen anboten. Der Mensch und natürlich Gott – der ganze Kosmos – gerieten ins Zentrum des Denkens und der kritischen Auseinandersetzungen mit der Auslegung von Kirche und Theologie. So bietet Nikolaus von Kues dem Leser Einblicke in die Anfangszeiten dieser Ansätze des neuen Humanismus und des Anspruchs nach dem autonomen Ich des Menschen gegenüber dem Versuch, das Walten Gottes zu erkennen. Diesen weiteren Weg beschreitet Horn mit Bildern von Leben und Lehre der Großen der Philosophie des Abendlandes von Spinoza, Voltaire oder Descartes hin zur neuzeitlichen Moderne eines Bloch oder Habermas (und anderen), ohne seine erkenntnisleitende Nähe zu Immanuel Kant zu verbergen. Horn leitet kundig durch die weite Szenerie der Suche nach der philosophischen Erkenntnis in den Köpfen der Gegenwart.

Der zweite Teil des vorgelegten umfassenden Werkes zeigt die tiefe Kenntnis von Christian Horn in das Werk von Dietrich Bonhoeffer. Horn führt die Linie von Luther, Schleiermacher und Barth zur theologischen Problematik, wie kritisches Denken der wissenschaftlichen Ratio und theologische Einsicht auf biblischem Fundament mit „Christsein“ vereinbar ist. Dabei folgt er dem Satz, „man muss denken können, was man glaubt.“ Aus theologischer Wahrnehmung werden zentrale Fragen, die Bonhoeffer existentiell bewegten, vorgestellt und dessen Interpretation durch weitere Analysen der Bibelstellen untermauert, begründet und erklärt. Horn erweist sich hier nicht nur quellenkritisch überaus feinsinnig bewandert, sondern zugleich philologisch und zeithistorisch fähig, den Kontext unserer Bibel-„Geschichten“ und der theologischen Auslegungen einzuordnen. Auf diese Weise werden wichtige Topoi in Leben und Werk Bonhoeffers wie die Religionslosigkeit des Christentums in der modernen Gesellschaft oder die Auferstehung Jesu Christi, die Grundfragen einer christlichen Ethik oder die Notwendigkeit des politischen Widerstehens in einer Diktatur sowie schließlich die Frage nach Gott in den Darlegungen neu begreifbar.

Horn hat auch in diesen Passagen sein Grundthema aufgegriffen: Was ist der Mensch? Natürlich leitet er den Leser hin zur Gedankenwelt Bonhoeffers und seiner Worte von der „Mündigkeit der Welt und des Menschen“ und der „nicht-religiösen Interpretation biblischer Begriffe“. Ein Anstoß für den Leser, zu diesem Text zu greifen und auf die Suche zu gehen, wohin Horn uns mit diesen Gedanken führen will bei unserem Fragen nach dem, was der Menschen ist.

Dr. Detlef Bald