Heft 30

Vom „Nie wieder Krieg“ zur Gewöhnung an den Krieg

Cover Heft 30

Abstract

Der Leitartikel in Heft 30 zeigt, wie in Gesellschaft und Kirche die Gewöhnung an den Krieg mit Hilfe des ultima-ratio-Denkens voranschreitet. Drei biographische Studien über Willi Graf und Dietrich Bonhoeffer beschreiben, wie deren Widerstandsdenken aus dem Glauben erwuchs und zu einem deutlichen Widerspruch gegen die Institution des Krieges führte.


Inhalt

Der 11. September und die Folgen (Fortsetzung)
Walter Romberg u.a. , Militarisierung der Außenpolitik?
Besorgte Bürger fordern Diskussion

Leitartikel
Matthias Engelke, Vom „Nie wieder Krieg“ zur Gewöhnung an den Krieg als Fortsetzung der Politik.
Vom Krieg im Lichte des Friedens reden

dbv-Tagung 2001 in München
Renate Wind, Willi Graf und Dietrich Bonhoeffer
Zwei Christen im Widerstand

Hans Pfeifer, Die Entwicklung des Loyalitäts- und Widerstandsdenkens bei Dietrich Bonhoeffer

dbv-Tagung 2002 in Iserlohn
Theodor Ebert, Dietrich Bonhoeffer und der Pazifismus

Ökumenischer Kirchentag in Berlin
Karl Martin, Die Grenzen des Zulässigen

Soldatenseelsorge
G. Arlt, E. Drees, A. Ilse, J. Lewek, Brief an die Mitglieder der Provinzialsynode in der EKKPS

Ev. Sozietät Württemberg, Brief an die württembergische Landessynode

dbv-Brief an die Mitglieder der EKD-Synode
Anlage 1: Brief vom Büro des Bundestagsvizepräsidenten Dr. Seiters
Anlage 2: Protokollnotiz zur Auslegung des Militärseelsorgvertrages
Anlage 3: Kurz-Gutachten von RA Otto Jäckel zur Protokollnotiz

Dokumente: Von der EKD-Synode beschlossene Kirchengesetze

Buchbesprechungen
Konrad Moll, Wir müssen uns entscheiden Rezension des Buches von Theodor Ebert, Militärische Gewalt als Ultima ratio?

Impressum

Titelbild:
Ausschnitt aus den „Seligpreisungen“ von Willy Beppler, 1993 Einzelbild zu Matth. 5,4 „Wohl denen, die Leid erfahren ....“
Adresse: W. Beppler, Bleichstr. 18, 65343 Eltville


Editorial

Wohl denen, die Leid erfahren. Trost ist ihnen gewiß.
Das Titelbild zeigt einen Ausschnitt aus den „Seligpreisungen“. Dargestellt ist die zweite Seligpreisung Mtth. 5,4. Der Künstler Willy Beppler dazu: „Angesprochen wird öffentliches Leid. Privates Leiden ist mit eingeschlossen. Der Bildausschnitt auf dem Titelbild: Eine Treppe führt hinab. Vorbei an entstellten Gesichtern hinter Gittern. Auf dem Bildganzen schmücken sie wie Orden die Brust eines Offiziers – Militär oder Polizei. Wo es sein soll? Jede Benennung entlastete die vielen, die auch gemeint sind. Überlassen wir die Antwort amnesty international und anderen Menschenrechtsorganisationen. Die Stufen der Erniedrigung und der Leiderfahrung reichen tiefer: an Gequälten und Gefolterten vorbei bis zu den Toten neben dem Gully. Und wo steckt „die gute Botschaft“? Diese Frage wird millionenfach gestellt worden sein zwischen Katakomben und KZs. Und immer noch gestellt werden. Versuchen wir eine ehrliche Antwort. Keine billige Vertröstung.“

Versuch einer ehrlichen Antwort: Der Blick von unten.
Die in der vorliegenden „Verantwortung“ abgedruckten Tagungsreferate befassen sich mit Willy Graf und Dietrich Bonhoeffer. Ihre Mitarbeit im Widerstand war ein Weg nach unten. Der aus großbürgerlichen Verhältnissen stammende Dietrich Bonhoeffer entdeckt auf diesem Weg die Chance zu einer „höheren Zufriedenheit“: „Es bleibt ein Erlebnis von unvergleichlichem Wert, daß wir die großen Ereignisse der Weltgeschichte einmal von unten, aus der Perspektive der Ausgeschalteten, Beargwöhnten, Schlechtbehandelten, Machtlosen, Unterdrückten und Verhöhnten, kurz der Leidenden sehen gelernt haben. ... Es kommt nur darauf an, daß diese Perspektive von unten nicht zur Parteinahme für die ewig Unzufriedenen wird, sondern daß wir aus einer höheren Zufriedenheit, die eigentlich jenseits von unten und oben begründet ist, dem Leben in allen seinen Dimensionen gerecht werden, und es so bejahen“(WEN, S. 27).

Wer sein Leben festhält, der wird’s verlieren; wer aber sein Leben einsetzt um meinetwillen, der wird’s finden (Mtth. 10,39).
Der Leitartikel zu dieser „Verantwortung“ geht dem Phänomen nach, dass Erfahrungen vergessen und Lernprozesse verweigert werden. Glaubwürdige Friedensarbeit ist auch heute Widerstandsarbeit. Ihr gesellschaftlicher Ort ist das „Unten“. Für Matthias Engelke ergeben sich daraus Konsequenzen bis in die persönliche Lebenshaltung hinein: „Die Hauptaufgabe, vor der wir z.Z. und gerade in der zunehmenden Militarisierung auf ei-nige Zeit noch stehen werden, ist es, mit daran zu arbeiten, das Humanum zu bewahren. Dieses Humanum können wir nicht bewahren, wenn wir unsere eigenen Vorteile und Besitzstände halten und bewahren wollen (vgl. Mt 10,39), es wird nur gelingen, indem gemeinsam eingeübt wird, was die Gemeinschaft mit Christus im Heiligen Geist ausmacht: Dass das, was in den Augen der „Welt“ Verzicht ist, Verzicht auf Macht, Gewalt, Geld, Wohlstand und Sicherheit, im Leben und Arbeiten im Reich Gottes Gewinn eines erfüllten Lebens ist.“

Für das Weihnachtsfest und den Jahreswechsel 2002/03 wünscht allen Leserinnen und Lesern alles Gute, auch im Namen der Redaktion,

Ihr Karl Martin