Heft 29

„Geh in diesen Krieg oder geh nicht in diesen Krieg“ Bonhoeffers Friedensethik und der Kampf gegen den Terrorismus

Cover Heft 29

Abstract

Heft 29 befaßt sich mit der friedensethischen Diskussion auf der EKD-Synode vom 4.-9. Nov. 2001 in Amberg. Bonhoeffers Forderung, beim Thema Krieg und Frieden klar und eindeutig Stellung zu beziehen, richtet sich an eine Kirche, die sich - damals genauso wie heute - mit allgemeinen Formulierungen und diffusen Ratschlägen aus der Affäre und damit aus der Verantwortung ziehen möchte.


Inhalt

Personalia
Detlef Bald - Ehrung im Münchner Rathaus
Niemöller Stiftung - Brückenbauer aus Wiesbaden
Horst Scheffler - Militärdekan geht nach Potsdam

Der 11. September und die Folgen(Fortsetzung)
Johannes Friedrich - Bibel-kein Rezept gegen Terror
W. Rohde-Liebenau - Bergpredigt, Bischof, Bonhoeffer Martin Stöhr - Nach dem 11. September

Die aktuelle Debatte
Hans-Dieter Zepf - Anmerkungen zum Antisemitismus

Leitartikel Karl Martin - Geh in diesen Krieg oder geh nicht in diesen Krieg

Tagung in Iserlohn
W.-R. Schmidt - Kirche des Friedens sein
H.-U. Oberländer - Weltordnung ohne Kriege

Soldatenseelsorge
Matthias Engelke - Zur Zukunft der Militärseelsorge
Gudrun Schreiber - Der Fall Engelke
Helmut Kern - Zur Kontroverse über den LKU
Konrad Moll - Kirche, Krieg, Soldatenseelsorge
dbv - Petition für eine Reform
EAK - Zukunft der Seelsorge für Soldaten

Meinung
J. Rau: Sind Sie eigentlich gläubig?

Wehrmacht und Bundeswehr
Gustav Köbbemann - Komm in meine Armee

Presse und dbv-Resolutionen Neues Deutschland - „Die ideologische Debatte ist vorbei“
dbv Resolution 37 - Gegen Entmündigung - für mehr Verantwortung
dbv Resolution 38 - Herausforderung an die deutsche Sicherheitspolitik
dbv Resolution 39 - Für eine gewaltfreie Lösung im Israel-Palästina-Konflikt
dbv Resolution 40 - Gegen eine Instrumentalisierung Bonhoeffers

Buchbesprechungen

Impressum

Titelbild:
Ausschnitt aus den „Seligpreisungen“ von Willy Beppler, 1993/ Einzelbild zu Matth. 5,9 „Wohl denen die Frieden schaffen ...“
Adresse: W. Beppler, Bleichstr. 18, 65343 Eltville


Editorial

Liebe Leserinnen und Leser, die Verantwortung Nr. 29 erscheint Anfang September 2002 kurz vor der Bundestagswahl. Die Frage „Geh in diesen Krieg oder geh nicht in diesen Krieg“ ist aktueller denn je.

Bundeskanzler Gerhard Schröder hat erklärt, unter seiner Führung werde sich Deutschland an einem Krieg gegen den Irak nicht beteiligen. Die Meinungsverschiedenheit zwischen den USA und Deutschland in dieser gewichtigen Frage ist unübersehbar geworden. Es gibt Spekulationen darüber, wie ernst das „Geh nicht in diesen Krieg“ der deutschen Politik gemeint ist und wie lange es halten wird. Aber immerhin. Ein wichtiges Zeichen ist gesetzt. Ein offizielles Wort gegen den Krieg ist gesprochen.

Und was ist mit der Kirche? Warum ist die Kirche zu einem solchen Wort gegen den Krieg nicht in der Lage? Diese Frage stellt sich, obwohl sich die EKD deutlich gegen den Irak-Krieg ausgesprochen hat. So ist die Kirche: Wenn die Politik das Nein zuerst vertritt, ist die Kirche gerne bereit, diese Vorgabe aufzugreifen – weil ein solches Nein die Kirche nichts kostet. Es ist ein „billiges“ Wächteramt. Es kann sogar als willkommene, parteipolitisch eingefärbte Wahlkampfunterstützung missverstanden werden.

Ganz anders liegen die Dinge, wenn sich die Politik und die öffentliche Meinung auf eine Kriegsbeteiligung zu bewegen. Dann ist von der Kirche weder ein Ja noch ein Nein zu hören. Ein Ja zum Krieg kann die Kirche nicht vertreten, weil es zu offensichtlich der biblischen Botschaft widersprechen würde. Zu einem Nein kann sich die Kirche nicht durchringen, weil sie den Widerspruch gegen die offizielle Politik nicht wagt und um ihre volkskirchlichen Privilegien fürchtet.

Wenn es weder ein Ja noch ein Nein sein darf, kommt es immer wieder zu dem berühmtberüchtigten kirchlichen „Jein“. So geschehen auf der EKD-Synode im November 2001 in Amberg. Damals ging es um den bevorstehenden Afghanistan-Einsatz. Die Kirche hielt sich heraus, erklärte, sie habe kein Lehramt und könne sich deswegen nicht verbindlich äußern, überließ die Entscheidung für ein Ja oder Nein dem einzelnen Christen und seiner Gewissensfreiheit.

Für Bonhoeffer bedeutet ein solches Taktieren ein Ausweichen vor der eigentlichen Verantwortung. 1932 hatte er gefordert: „Die Kirche muss im Entscheidungsfall eines Krieges nicht nur sagen: es sollte eigentlich kein Krieg sein, aber es gibt auch notwendige Kriege, und nun jedem einzelnen die Anwendung dieses Prinzips überlassen, sondern sie sollte konkret sagen können: geh in diesen Krieg oder geh nicht in diesen Krieg.“

Der Leitartikel berichtet über die friedensethische Diskussion auf der EKD-Synode. Die Texte von der dbv-Tagung in Iserlohn beschäftigen sich mit der Friedens(un)fähigkeit der Kirche. Die Texte zur Soldatenseelsorge zeigen, dass durch den Militärseelsorgevertrag ein „Geh nicht in diesen Krieg“ strukturell verhindert werden soll. In der Hoffnung, dass dies nicht gelingt, grüßt Sie, auch im Namen der Redaktion, sehr herzlich

Ihr Karl Martin